Mit gutem Ende für die beiden Ostbelgier
Vom 12. bis 25. November nahmen insgesamt 7 belgische Jugendspieler in Montesilvano (Italien) an der Schach-Weltmeisterschaft für Langpartien in der Alterskategorien U14 bis U18 teil. Die belgische Delegation bestand aus 5 flämischen Teilnehmern und den beiden Ostbelgiern Anastasia und Maximilian Ahn.
Insgesamt gingen rund 800 Spieler aus 92 Länder von 5 Kontinenten in den Open und Mädchen Kategorien über 11 Runden an die Bretter. Die Partien bis auf die letzte Runde starteten jeweils um 15.00 Uhr und gingen regelmäßig bis 20.00 Uhr. Nach dem Abendessen fand die Partieanalyse statt und am nächsten Morgen wurde sich intensiv auf den nächsten Gegner soweit möglich vorbereitet. Bei der Vorbereitung musste man jedoch immer wieder damit klarkommen, dass in manchen Ländern anders als in Belgien auf die Veröffentlichung von Partien verzichtet wird und so die gegnerische Eröffnung und Spielweise nur vermutet werden konnte. Noch extremer betrifft dies die kostspielige Elo Auswertung der gespielten Partien. Entsprechen die Elo-Zahlen der „West Staaten“ in etwa der realen Spielstärke der Spieler ist es bei den „Ost Staaten“ leider gar nicht der Fall. Hier ist die Mehrheit deutlich „underrated“. Diese Erfahrung mussten die Belgier und insbesondere die Spieler vom KSK Rochade Eupen-Kelmis allesamt machen.
Maximilian Ahn spielte in der Alterskategorie Open bis 14 Jahre. In der 1. Runde bekam er es sofort mit einem der Turnierfavoriten und Fide Meister aus dem starken Schachland Armenien zu tun und war chancenlos. Ihm unterlief bereits in der Eröffnungsphase ein für ihn ungewohnter grober Schnitzer. In den folgenden beiden Runden gegen Spieler aus Montenegro und Taipe/China wurden die Punkte geteilt. In Runde 2 führte noch eine sichere und solide Spielweise zum Remis; ging es in der dritten Partie hin- und her und der mögliche 1. Sieg wurde liegen gelassen. In der 4. Partie gegen den Kanadier agierte der Spieler vom LOS Schach Förderzentrum weiter verunsichert und musste sich nach einem Rechenfehler in einer Sizilianischen Partie nach langem Kampf letztlich geschlagen geben. Der Turnierstart mit 1 aus 4 war sichtlich misslungen aber eine Weltmeisterschaft ist ein langes Turnier über 11 Runden in dem viel möglich ist. In der 5. Runde konnte Maximilian gegen den Spieler aus Jordanien nach einer guten Leistung seinen ersten verdienten Sieg feiern und die Freude war groß! In der 6. Runde, gegen den unbequem zu spielenden Kasachen verlief die Partie lange Zeit ausgeglichen, bevor ein unnötiger Doppelturmtausch zu einem schlechterem Läufer gegen Springer Endspiel führte. Dank sehr guter Technik im Bauernendspiel konnte Maximilian noch ein Unentschieden erzwingen. Insbesondere Bauern- und Turmendspiele werden regelmäßig im SVDB Förderzentrum trainiert. Nach dem Ruhetag hatte Maximilian neben dem Brett mit Durchfall zu kämpfen und verpasste gegen den Mexikaner eine Gewinnkombination und agierte im Anschluss nicht umsichtig genug und musste eine schmerzhafte Niederlage einstecken.
In den 4 letzten Partien fand Maximilian jedoch wieder zu seiner normalen Spielstärke und -freude zurück und konnte 3 der 4 Partien nach starker Leistung gewinnen. Zunächst wurde der Italiener mit einem Qualitätsopfer im Endspiel bezwungen, bevor die Vertreter aus Singapur und Island in Mittelspielen mit gegenüberliegenden Rochaden und Königsangriffen in spannenden Partien erledigt wurden.
Einen kleinen Dämpfer gab es lediglich in der vorletzten Runde in einer interessanten Partie gegen den Geheimfavoriten aus Deutschland der sich ebenfalls sehr schwer tat und zu diesem Zeitpunkt auch bei 50% der Punkte (4,5 aus 9) lag. Der deutsche Besou aus NRW ist ein Jahr jünger als Maximilian und bereits Fide Meister und weist eine für dieses Alter sehr hohe Elo Zahl von 2341 auf. Diese Niederlage in einer lehreichen Partie war sicherlich verkraftbar.
Am Ende standen 5,5 aus 11 möglichen Punkten und ein geteilter 77. Platz (nach Feinwertung 98. Platz) von 178 Spielern zu buche.
Für Anastasia Ahn verlief das Turnier in der Girls Gruppe U16 ähnlich schwierig und es erwischte sie mit 2 Niederlagen zu Beginn eiskalt. Vor allem sehr ärgerlich, weil die Spielerinnen aus Azerbaidjan und Montenegro nicht unbedingt stärker waren. In der 1. Partie wollte die Spielerin vom SVDB Förderzentrum eine gleiche Stellung unbedingt gewinnen doch die verursachten Verwicklungen entpuppten sich als Boomerang und die geschwächte Stellung war nicht mehr zu halten. In der 2. Partie verlor Anastasia früh einen Bauern und fühlte sich sichtlich unwohl in einer eigentlich noch bekannten Eröffnungsstellung. Sie fand anschließend nicht die richtigen Züge, um die vorhandene Kompensation nachzuweisen. In der 3. Runde feierte Anastasia gegen die Süd Koreanerin ihren ersten Sieg. Diesmal gewann sie früh einen Bauern und verwandelte diesen im Endspiel souverän in eine Dame. In der 4. Partie wurden gegen die schwer zu spielende Kasachin in unklarer Stellung die Punkte kurz nach dem 30. Zug geteilt. Bei der Weltmeisterschaft wurde nach der sogenannten Sofia Regel gespielt, die besagt, dass ein Remis Schluss vor dem 30. Zug nicht erlaubt ist. In der 5. Runde erwiderte die Italienerin Anastasia‘s Sizilianische Eröffnungswahl mit dem geschlossenen System. Anastasia fand gegen diese aggressiv vorgetragene Spielweise nicht die beste Verteidigung für Ihren König und erlitt Material- und später den Partieverlust. Durch das Abrutschen ins untere Mittelfeld bekam Anastasia es in der Folge nur noch mit nominell schwächeren Gegnern zu tun, d.h. zumindest auf dem Papier. Wie Eingangs gesagt spielten diese Spielerinnen deutlich über ihre Wertungszahl. Dennoch ab jetzt ging nur noch eine Partie verloren und 3 Partien konnte Anastasia noch für sich entscheiden. Beflügelt von Ihrem Sieg in Runde 6 konnte sie in der 7. Runde ihr Spiel weiter steigern und die starke Polin mit Ihrer Lieblingseröffnung bezwingen. Polen unterstrich durch 2 Weltmeistertitel in den Open Kategorien U14 und U16 ihr aktuelles streben sich in der Weltspitze des Schachs zu festigen. Erstmals bei 50% der Punkte angekommen ging die Partie in Runde 8 gegen die Vertreterin aus Kirgistan unnötig verloren. Mit klarem Vorteil aus der Eröffnung gekommen müssten im Mittelspiel „nur“ einige logische Entwicklungszüge gefunden werden, um den Vorteil weiter auszubauen. Im Anschluss ging das entstandene gleiche Endspiel sogar noch verloren. In den 3 letzten Partien gegen die Spielerinnen aus Singapur, Italien und Indien holte Anastasia mit 2 Remisen und einem Sieg das Maximum aus ihren Stellungen heraus. Insbesondere in Ihrer 9. Partie wurde ihr Kampfgeist belohnt, stand sie doch die ganze Partie über mit dem Rücken zur Wand. Ein Remis in der letzten Runde gegen eine Spielerin aus Indien, eins der aktuell stärkten Schachnationen der Welt, ist doch versöhnlich.
So hatte auch Anastasia die vor dem Turnier anvisierten 50% der Punkte wie ihr Bruder erreicht! An die erlittenen Elopunkt-Verluste wird sie allerdings noch länger zu knabbern haben. In der Tabelle erreichte sie den geteilten 47. Platz und nach Feinwertung den 59. Platz von 105 Teilnehmern.
Von der belgischen Delegation erreichten 4 der 7 Spieler 5,5 aus 11 Punkten, einmal die Brüder Dreelinck vom Klub Geraardsbergen und die Geschwister Ahn vom KSK Rochade Eupen-Kelmis! Zwei weitere Belgier kamen auf ebenfalls gute 5 Punkte und lediglich eine 2. Belgierin in Anastasias Gruppe kam nicht über 2,5 Punkte bei Ihrer 1. WM hinaus.
Die Goldmedaillen gingen bei den Jungs wie bereits erwähnt 2 X nach Polen und in der U18 nach Russland. Bei den Mädchen siegten in der U14, U16 und U18 respektiv die Spielerinnen aus Usbekistan, China und Azerbaidjan. Aus West Europa konnte bei den Jungs Italien in der U14 einmal Bronze und Deutschland Silber gewinnen. Ferner konnte Deutschland in der U16 mit einmal Bronze aufhorchen.
Für alle war es eine einzigartige Erfahrung und alle konnten auf vielen Ebenen dazu lernen. Hier überwiegen oftmals das Eröffnungstraining und die Wissenserweiterung aber auch die Erfahrung wie man mit Emotionen ob positiv oder negativ während einer Partie und in so einem langen Turnier umzugehen hat! (Bericht Martin Ahn) Die Resultate: Maximilian Jungen U14 sowie Anastasia Mädchen U16